Basel lockert den Wohnschutz per Verordnung – Durchbruch oder Pflästerli-Politik?

Per 1. November tritt im Kanton Basel-Stadt eine Lockerung des umstrittenen Wohnschutzes in Kraft. Im Interview gibt Lukas Ott, Leiter Kantons- und Stadtentwicklung im Präsidialdepartement Basel-Stadt, Auskunft, welche Verbesserungen die Revision bringt und wo die Grenzen liegen.
Am 12. Juni beschloss die Regierung des Kantons Basel-Stadt, den umstrittenen Wohnschutz zu lockern. Folgende vier Erleichterungen wurden beschlossen:
  • Wird kein Mietzinsaufschlag verlangt und kostet eine Erneuerung weniger als 5’000 Franken pro Jahr, ist neu keine Meldung an die Wohnschutzkommission mehr nötig.
  • Beim Vereinfachten Bewilligungsverfahren (für kleinere Sanierungen) werden Gesuche neu nicht mehr durch ein Dreier-Gremium beurteilt, sondern nur noch durch ein Mitglied der Wohnschutzkommission.
  • Wenn eine geplante Sanierung den Energieverbrauch eines Gebäudes um mindestens 15 Prozent senkt, kann neu das Umfassende Bewilligungsverfahren beantragt werden. Hier gibt es keine gesetzliche Obergrenze für Mietzinserhöhungen.
  • Der Überwälzungssatz für Investitionen wird erhöht, indem der bisher angewandte Reduktionsfaktor aufgehoben wird. Zudem können für ökologische Massnahmen künftig Mietzinsaufschläge bewilligt werden, wie sie gemäss Schweizer Mietrecht möglich sind.

Diese Anpassungen wurden von Seiten des Gewerbes und bürgerlichen Parteien begrüsst. Gleichzeitig wurden aber auch Zweifel geäussert, ob sie ausreichen. In Basel war seit der Annahme des Gesetzes die Anzahl Sanierungen wie auch der Neubauten, regelrecht eingebrochen. Dies führte einerseits zu einer Verschärfung des Nachfrageüberhangs auf dem Wohnungsmarkt, der sich in steigenden Mieten niederschlug. Gleichzeitig leidet das Gewerbe bis heute unter den ausbleibenden Aufträgen.

Daher hat Fürschi Züri bei der Basler Regierung nachgefragt, welche Verbesserungen die Revision bringt und wo die Grenzen liegen. Lukas Ott, Leiter Kantons- und Stadtentwicklung im Präsidialdepartment Basel-Stadt, gibt im Interview Auskunft.

Fürschi Züri: Herr Ott, ganz grundsätzlich: Ging den beschlossenen Anpassungen der Verordnung ein formelles Konsultationsverfahren mit Verbänden und Unternehmen voran, oder führte quasi die Summe der Erfahrungen der Wohnschutzkommission zu den Anpassungen?

Lukas Ott: Beides. Wir haben die Teilrevision in einer departementsübergreifenden Arbeitsgruppe erarbeitet und auch die Wohnschutzkommission aktiv einbezogen. Zusätzlich haben wir die relevanten Verbände auf Mieter- wie Vermieterseite angehört, konkret HEV, SVIT, Mieterverband, Casafair und Gewerbeverband. Schliesslich geht es um verschiedene Faktoren: Mehr Sanierungen, energetische Verbesserungen und stabile Mieten. Wir wollen die bestehenden Gebäude nicht verlottern lassen, ökologische Sanierungen nicht unnötig erschweren, aber auch stark steigende Mieten bei Bestandesliegenschaften eindämmen. Die erste Wohnschutzverordnung hat gezeigt, dass dieser Dreiklang nicht immer gut funktioniert hat. Jetzt sind wir über die Bücher gegangen und hoffen, dass wir damit verschiedene Mängel beseitigt haben.

Neu können kleinere Erneuerungen in Wohnungen ohne Meldung an die Wohnschutzkommission durchgeführt werden, sofern kein Mietzinsaufschlag verlangt wird und die Erneuerung weniger als 5’000 Franken pro Jahr kostet. Welche Überlegung steht hinter der Limitierung auf 5’000 Franken, wenn sich die Mietzinsen nicht erhöhen?

Bisher musste jede wertvermehrende Investition der Wohnschutzkommission gemeldet werden. Das ist jetzt vorbei. Die neue Untergrenze im Meldeverfahren von 5’000 Franken adressiert bewusst «Bagatellfälle» – etwa den erstmaligen Einbau eines Geschirrspülers oder kleine Anpassungen nach Mieterwechseln. Die Meldung muss spätestens drei Monate nach Durchführung der Massnahme erfolgen. Damit ist sichergestellt, dass es zu keinen Verzögerungen kommt. Die Freigrenze gilt pro Wohnung und Kalenderjahr und verhindert so eine Umgehung durch das Kumulieren kleiner Posten. Insgesamt bringen die Neuerungen mehr Rechtssicherheit und eine spürbare Entlastung im Vollzug, was Vermieterinnen und Vermieter begrüssen dürften. Photovoltaikanlagen sind generell melde- bzw. bewilligungsfrei, da sie über die Stromrechnung und nicht über die Mietzinsen verrechnet werden.

Neu soll im vereinfachten Bewilligungsverfahren nur noch ein Mitglied der Wohnschutzkommission entscheiden. Welche Beschleunigung erwarten Sie dadurch?

Bei kleineren Sanierungen entscheidet im vereinfachten Verfahren künftig die oder der Vorsitzende der Wohnschutzkommission per Präsidialentscheid anstelle der paritätischen Dreierkammer. Wenn sich drei Personen auf einen Entscheid einigen müssen, kann das naturgemäss etwas länger dauern. Mit dem Einzelentscheid, bei dem das Sanierungsvorhaben plausibilisiert wird, nähern wir uns der Idee des «Expresschalters» an, den viele Hauseigentümer und auch der Mieterverband erwarten. Dadurch wird die Durchlaufzeit spürbar beschleunigt.

Neu wird der finanzielle Rahmen gelockert, um ökologisch zu sanieren. Welche Auswirkungen erwarten Sie davon? Gemessen am Immobilienbestand und im Vergleich zur Zeit vor Einführung des Wohnschutzes?

Dank der angepassten Wohnschutz-Verordnung können Eigentümerinnen und Eigentümer wertvermehrende Sanierungs- und vor allem ökologische Kosten verstärkt auf die Mieten überwälzen, da auch die Mietparteien davon profitieren. Das sollte sich auch für das Gewerbe in Form von mehr Aufträgen auszahlen.

In der Kritik stand der Wohnschutz auch, weil einvernehmliche Lösungen zwischen Vermietern und Mietern als ungültig betrachtet wurden. Wurde im Rahmen der aktuellen Revision auch geprüft, Vereinbarungen inskünftig gelten zu lassen?

Die Revision zielt auf Verfahrensvereinfachungen und Klimaanreize ab. Der gesetzliche Prüfauftrag bleibt unverändert: Die WSK prüft weiterhin, ob die Vorhaben den übergeordneten Bedürfnissen der Wohnbevölkerung entsprechen. Private Abreden ersetzen diese materielle Prüfung nicht und waren nicht Gegenstand der Teilrevision. Die Schutzfunktion, insbesondere gegen Aufwertungen des Ausbaustandards, bleibt somit unverändert bestehen.

Aktuell erstreckt sich der Wohnschutz nicht auf Liegenschaften, die von Genossenschaften gehalten werden. Wurde im Rahmen der aktuellen Revision auch geprüft, diese Zweiteilung fallenzulassen?

Genossenschaften sind wie Gebäude mit weniger als vier Wohnungen vom geltenden Wohnschutz ausgenommen. Daran ändert auch die Verordnungsrevision nichts. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs wäre eine Frage der Gesetzesebene. Entsprechend wurde diese Zweiteilung im Rahmen der vorliegenden Revision nicht aufgehoben. Grundlage dieser Zweiteilung ist die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die langfristig preisgünstigen Mieten im genossenschaftlichen Wohnungsbau eine Unterstellung unter die Wohnschutzbestimmungen nicht rechtfertigen.

Wurden von Seiten der Immobilienbranche weitere Anpassungen gefordert, die im Rahmen der aktuellen Revision nicht berücksichtigt werden konnten?

Der SVIT, der HEV und der Gewerbeverband bezweifeln, dass die Wohnschutzverordnung als Klimainstrument taugt. Ihrer Meinung nach fehlt der klare Fokus und sie blockiere Investitionen eher, als dass sie sie fördere. Ich sehe das etwas anders. Wenn Gesuchstellende nachweisen, dass die geplanten Sanierungsmassnahmen die Betriebsenergie des Gebäudes um mindestens 15 Prozent senken, dann gelten neu die gesetzlichen Obergrenzen für Mietzinserhöhungen nicht mehr. Bei länger nicht mehr sanierten Gebäuden kann die Betriebsenergie relativ einfach gesenkt werden, beispielsweise durch eine Dachsanierung, eine neue Fassadenisolation oder den Ersatz der Ölheizung durch eine Wärmepumpe. Damit konkretisieren wir ein Kriterium, das im Gesetz steht, und machen damit Sanierungen wieder attraktiver. Wenn ein Hauseigentümer mit vertretbarem finanziellem Aufwand die Betriebsenergie einer älteren Liegenschaft senken kann, und dafür diese Sanierungskosten auf die Mieten überwälzen kann, und wenn dies auch bis zu einem gewissen Grad für wertvermehrende Ausgaben gilt, dann ist das doch ein gutes Argument, diese Arbeiten in Angriff zu nehmen.

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